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autes Brummen und Knattern erfüllte den nächtlichen Himmel, als die Polizeihubschrauber wie ein Schwarm riesiger Raubvögel auf der Suche nach Beute über dem kleinen Dorf erschienen.
Borgo del Lago lag am Hang eines dichtbewaldeten Berges und ließ Alexander, der aus dem Führungshubschrauber in die Tiefe blickte, mit seinen hohen Mauern an eine mittelalterliche Festung denken. In der Nähe lag der namensgebende See von halbmondförmigem Zuschnitt.
An seinem Ufer erstreckte sich ein freies Gelände, das durch wohl eilig herbeigeschaffte Scheinwerfer und die Lichter im Halbkreis aufgestellter Autos beleuchtet wurde: der provisorische Landeplatz, auf dem bereits ein Hubschrauber stand.
Einer nach dem anderen setzten die auf Ciampino gestarteten Helikopter auf. Als erster sprang Prioletta nach draußen, ihm folgte Alexander, der dem durch seine Prothese behinderten Donati beim Aussteigen half.
Vor dem bereits gelandeten Hubschrauber erwartete sie Capitano DelBene, den Alexander sofort mit Fragen bestürmte: »Wo ist Elena? Geht es ihr gut?«
»Die Signorina und die beiden anderen sind im Dorf, im Haus des Bürgermeisters«, antwortete der GIS-Offizier. »Ich bringe Sie hin.«
DelBene, Alexander, Donati und Prioletta quetschten sich in den Alfa Romeo des Bürgermeisters, der sie das kurze Stück zu seinem Haus chauffierte. Dort saßen Elena, Roland Kübler und ein Mann, der zu Alexanders Überraschung eine schwarze Totus-Tuus-Uniform trug, um einen Tisch und aßen dampfende Spaghetti, die die Dame des Hauses zubereitet hatte.
Elena hier sitzen und essen zu sehen war eine große Erleichterung für Alexander. Und noch leichter wurde ihm ums Herz, als er sie sagen hörte, es gehe ihr gut.
Für eine ausgedehnte Begrüßung blieb keine Zeit. Elena, Kübler und der andere Mann, den sie Francesco nannten, erzählten in knappen Worten von dem Tal mit dem Felsentempel und von ihrer Flucht, womit sie den kurzen Lagebericht ergänzten, den DelBene während der Fahrt ins Dorf gegeben hatte.
Prioletta schüttelte den Kopf. »Engel und Luzifer, das geht über meinen Verstand. Wenn das wahr wäre, wie sollten wir mit unseren Waffen dagegen angehen?«
»Das verlangt niemand von Ihnen, Maggiore«, sagte Donati. »Wenn ich alles richtig verstanden habe, dann haben Papst Lucius und sein Sohn es auf sich genommen, das Schlimmste zu verhüten. Wir müssen sie dabei unterstützen, so gut wir eben können. Engel können Sie mit Ihren Waffen nicht erschießen, wohl aber Menschen, die eine gefährliche Macht beschwören wollen. Brechen wir also auf zu diesem seltsamen Tempel der Ahnen! Ich habe nicht den leisesten Zweifel, daß das auch der Ort ist, von dem wir das Signal empfangen.«
»Darf ich mich mit meinen Männern anschließen?« fragte DelBene. »Es ist bereits ein Ambulanzhubschrauber auf dem Weg hierher; für die drei ist also gesorgt.«
»Ich habe keine Einwände«, antwortete Prioletta. »Nach allem, was ich gehört habe, denke ich, wir können jeden Mann brauchen.«
»Einverstanden«, sagte auch Donati.Als Alexander sich zum Gehen wenden wollte,
sprang Elena auf und hielt ihn fest.
»Du willst mit?«
Er zeigte auf die Kevlar-Schutzweste, die er ebenso wie Donati
trug. »Meinst du, die habe ich angezogen, weil ich sie so schick
finde?«
»Aber du bist kein Polizist! Warum willst du dich in Gefahr
begeben?«
»Um unserem Freund Enrico zu helfen. Und um den Machenschaften von
Totus Tuus ein für allemal ein Ende zu bereiten. Dieser Orden
treibt sein Unwesen schon viel zu lange. Vergiß nicht, daß mein
Vater einst der Ordensgeneral war. Ich fühle eine Art familiärer
Verpflichtung, dabei zu sein.«
»Paß aber gut auf dich auf, Alex!«
Er nickte und angelte unter Weste und Jacke nach dem Pooh-Bären,
den er seit seinem Besuch in Elenas Wohnung bei sich
trug.
»Hier, der wollte unbedingt bei dir sein. Er hat uns schon einmal
geholfen, erinnerst du dich?«
»Wie könnte ich das vergessen?«
Sie nahm den Bären an sich und strich zärtlich über sein Fell. Es
war ein friedliches Bild, das Alexander noch vor sich sah, als die
Hubschrauber starteten und Kurs nahmen auf den Tempel der
Ahnen.